Miteinander sind wir Klasse

Ein Theaterprojekt mit den SchülerInnen der 3b der Volksschule Angergasse, Innsbruck

Kurzbeschreibung
Im Projekt „Miteinander sind wir Klasse...“ geht es darum als Klasse etwas auf die Beine und auf die Bühne zu stellen. Die Klasse ist ein Kollektiv, in der Theater-sprache ein Ensemble, und als solches soll sie die gemeinsame Erfahrung eines Prozesses, einer Entwicklung und eines Ergebnisses machen, auf das sich stolz sein lässt. Prozess, Entwicklung und Ergebnis sollen aber auf für den Einzelnen/die Einzelne erlebbar werden, jeweils repräsentiert mit den eigenen Stärken und Schwächen und als Persönlichkeit mit einem wertvollen Beitrag zum Gelingen des Ganzen wahrgenommen. Das Projekt erstreckt sich über das gesamte Schuljahr. Dazu wird eine Wochenstunde „Unverbindliche Übung“ von der Schulleitung zur Verfügung gestellt, eine Projektwoche eingeplant und je nach Verlauf sind Präsentationen und Aufführungen geplant. Sowohl die Direktion als auch die Klassenlehrerin und die Integrationslehrerin und die Eltern stehen ausdrücklich hinter dem Projekt. Durchgeführt wird es von einem erfahrenen gemischgeschlechtlichen Referentenpaar. Gearbeitet wird dabei ohne fertiges Theaterstück, sondern mit den Ausdrucksmöglichkeiten, Fähigkeiten und Ideen der SchülerInnen, sowie in ständiger Reaktion auf ihre Bedürfnisse.

Rahmensituation
Bei der Klasse handelt es sich seit Jänner 2010 um eine Integrationsklasse. Es werden 2 Kinder mit SPF im ASO-Lehrplan unterrichtet. Weiters wird in der Klasse ein Kind mit starker Verhaltensproblematik integriert. Deshalb unterrichtet auch eine Sonderschullehrerin mit 11 Stunden in der Klasse. Die Klasse verfügt über einen zweiten Gruppenraum.

Wie kam es zur Projektidee?
Im März 2010 wurde das Kinderschutzzentrum TANGRAM eingeladen ein Gewaltpräventionsprojekt im Ausmaß von 2x2 Stunden durchzuführen. Die Situation in der Klasse ist durch hohe Gewaltbereitschaft auf der einen und starkem Leistungsabfall auf der anderen Seite gekennzeichnet. Tendenzen zu Abwertung und Ausgrenzung, fehlendes Gefühl und Ausdrucksfähigkeit für eigene Gefühle und Bedürfnisse sind festzustellen. Die Mädchen werden von dieser Aggression fast erdrückt, sie haben keinen Raum für sich, sie trauen sich auch nicht, diesen Raum für sich zu beanspruchen. Das Kinderschutzzentrum sah die dringende Notwendigkeit mit der Klasse ein Projekt zur Stärkung sozialer Kompetenzen durchzuführen. Nach einiger Überlegung und Anregung durch eine HS Direktorin aus dem Oberland tauchte die Idee eines Theaterprojekts auf.

Ziele
Ziele des Projekts sind die verbesserte Wahrnehmung von Gefühlen, Grenzen, Bedürfnissen in verschiedenen Situationen, die Erhöhung der körperlichen und verbalen Ausdrucksfähigkeit/ Kommunikationsfähigkeit in solchen Situationen, das positive Erleben von Gemeinschaft, die veränderte Wahrnehmung der MitschülerInnen in einer ganz anderen Situation, das Aufbrechen alter Verhaltensmuster, die Erhöhung der sozialen Kompetenz und seelischen Stabilität. nicht das Einstudieren eines Stückes. Diese Ziele sollen über den „Umweg“ des Theaters erreicht werden. Trotzdem ist es kein vorrangig sozialpädagogisches Projekt mit theatralem Feigenblatt, vielmehr ist dem Theater der Umgang mit Gefühlen, der Respekt vor Grenzen und Regeln, die Kooperation mit den MitspielerInnen, die Erweiterung des Handlungsspielraums und die Veränderung von Verhalten immanent. Das Projekt bindet die Lehrerinnen aktiv mit ein, so dass sie als teilnehmende Beobachterinnen Teil der Klasse und somit des Projekts sind. Nach Möglichkeit sollen auch die Eltern mit einbezogen werden.

Methoden
Beide Theaterpädagogen sind versiert in unterschiedlichen Methoden, die ja nach Bedarf und Bedürfnis herangezogen werden können. Dazu zählen Drama in Education, Jeux dramatique, Playbacktheater, Szenisches Spiel, Theater der Unterdrückten, Improvisationstechniken und andere, die sich in der Arbeit mit Kindern bewährt haben. Im Vordergrund stehen allerdings die Kinder selbst und nicht die Methoden. Die Methoden werden sich nach den SchülerInnen richten und nicht umgekehrt.

Die Theaterpädagogen
Katharina Lammers (Navis), Theaterpädagogin und Dramaturgin, Dipl.-Sozialpädagogin, Dipl.- Sozialarbeiterin Lehrbeauftragte an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Lehrgebiet Sozialpädagogik und an der Fachhochschule Merseburg im Lehrgebiet Theater- und Medienpädagogik. Initiatorin, Geschäftsführerin und künstlerisch-pädagogische Projektleiterin von „DOMINO – Zivilcourage im Rampenlicht“ (www.domino-x.de). Zuvor Dramaturgin und Theaterpädagogin am Thalia Theater Halle mit Schauspiel- und Regiearbeit, Gründung und Leitung des Bereiches Kunst- und Kulturpädagogik am Thalia Theater Halle. Workshops und Fortbildungen u.a. bei Augusto Boal, Keith Johnstone, Reiner Steinweg und Geraldine Baron (Schülerin von Lee Strasberg). Weitere berufliche Praxis in der Offenen Jugendarbeit, in der Fachberatung Jugendarbeit beim Landesjugendamt NRW, Leitung des Bereiches „Politik und Gesellschaft“ beim Haus der Familie in Münster.

Mag. Armin Staffler (Innsbruck), Politologe und Theaterpädagoge für spectACT-Verein für politsches und soziales Theater, Theaterprojekte in zahlreichen Gruppen, Gemeinden, Schulen (VS Hötting, VS Zirl), Vereinen zu Themen des Zusammenlebens, Lehraufträge als Theaterpädagoge u. a. am UNESCO Chair for Peace Studies an der Universität Innsbruck für Methoden des Theaters der Unterdrückten und des Theatre for Living im Modul „Cultures of Peace“ (seit 2002), am Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung (seit 2007) und am Institut für Erziehungswissenschaften (2009) der Universität Innsbruck, an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg (2008), Konzeption und Durch¬führung des theaterpädagogischen Angebots „act it!“ Forumtheater in der Suchtprävention der Tiroler Fachstelle „kontakt+co Suchtprävention Jugendrotkreuz“ (seit 2000), Fachbereichsleiter für politisches und soziales Theater im Theater Verband Tirol, Vorstandsmitglied der ARGE Forumtheater Österreich. www.staffler.at

Das Lehrerinnenteam
Martina Steinberger
Iris Posch (Direktorin)
Nina Scharmer

1. Teil: Theateraufführung 21. Jänner 2011

An diesem Abend konnten die Kinder zeigen, was sie in diesem halben Jahr erabreitet hatten.

KLASSENZAUBER

Alle Ideen kamen von den Kindern, sie planten auch die Abfolge der Szenen, die Kostüme und den Inhalt.

In dem Stück geht es um eine Klasse mit einer strengen Lehrerin und einem tristen Schulalltag. Eines Tages kommt eine Fee und zaubert die Kinder in eine Zirkuswelt. Dort können sie ihrer Begabungen zeigen und ausleben. Am Ende werden alle wieder in ihre alte Klasse zurückgezaubert.

Szenenfolge:
1. Die Klasse verwandelt sich in einen Zirkus
2. Auftritt der Akrobaten
3. Die Feen und Verwandlungskünstlerinnen
4. Zwischenspiel: Hey wie machst du das?
5. Überraschung - Clowns als starke Männer, Pinguin und Löwen
6. Tanztheater
7. Kampf des Hausmeisters und des Zirkusdirektors
8. Auftritt der Models, Artistinnen und Frauenclowns
9. Tanz Show: Michael Jackson
10. Horrorhochzeit und die große Rettung
11. Zurück in die Gegenwart

Die Begeisterung der Kinder steckte das Publikum an. Die Aufführung war sehr gelungen und die Leistung der Kinder im Zusammenarbeiten und Miteinandersein großartig. Das Ziele des Projekts wurden schon sehr gut umgesetzt.
Im Anschluss gestaltete die Klassenelternvertreterin ein schönes Buffet um den Abend zu feiern und im Miteinander ausklingen zu lassen.

Ein Danke an die Eltern an dieser Stelle für ihren Einsatz und das Mitragen des Projekts.


2. Teil: Von Wölfen und Geißlein

Der zweite Teil des Projekts wurde von einem Auftritt im Rahmen der Kinder- und Jugendtheatertage des Theater Verbandes Tirol am 15.06.2011 in der VS Pradl Ost gekrönt. Ein Zyklus von 4 selbst erfundenen Geschichten der Kinder wurde in Szenen umgesetzt und aufgeführt. Die Geschichten handeln von Tieren, die in ihrem Leben bedrohlichen Situationen begegnen und diese dann sehr kreativ und positiv meistern.

Das Stück: Von Wölfen und Geißlein

 

Abschließende Gedanken:

Das Ziel des Theaterprojekts war es, den Kindern Raum zu geben und etwas Gemeinsames zu schaffen, das WIR in den Mittelpunkt zu stelle. Durch das Hineinschlüpfen in unterschiedliche Rollen konnten die Kinder ihr Innerstes zum Ausdruck bringen, ihre Gefühle, ihre Ängste, ihre Wünsche. Die Schüler waren oft überrascht über die Offenheit des Anderen und dies gab ihnen die Gelegenheit ihre Klassenkameraden in einem anderen Licht zu sehen, sie neu kennen zu lernen. Dies war auch für uns Lehrerinnen eine ganz intensive Erfahrung. Wir lernten die Schüler von einer ganz neuen Seite kennen, introvertierte Kinder, die aus sich heraus gingen und die ganze Bühne einnahmen. Beim Auftreten von Konflikten waren alle Beteiligten bemüht mit den Kindern gemeinsame Lösungswege zu finden. Die Kinder machten die Erfahrung, dass man auf ihre Probleme einging und gemeinsam einen Weg fand, den Konflikt zu beenden. Dieses Projekt verlangte von allen sehr viel Einsatz und Kraft. Die Erfahrung, auch mit Rückschlägen fertig zu werden und sich nicht entmutigen zu lassen, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, auch wenn es oft unerreichbar weit entferrnt schien, nehmen alle aus diesem Projekt mit. Das gemeinsame hat gesiegt, die Schüler schufen ihre eigenen Theaterstücke und führten diese vor Publikum auf. (VL Martina Steinberger)

 

Acht Jahre (!) nach Projektende erreichte uns ein E-Mail mit folgenden Zeilen:

Damals war es einfach nur ein interessantes Projekt für mich, das wie ein normaler Nachmittagsunterricht ablief und ich habe mir nicht wirklich viel dabei gedacht. Aber dennoch hat es einen bleibenden Effekt hinterlassen: Nicht nur, dass sich unsere Klassengemeinschaft verbessert hat und dass wir stärker als Gruppe zusammengewachsen sind, sondern auch, dass ich meine Liebe für das Schauspielern entdeckt habe.
Heute weiß ich natürlich, dass das Projekt dazu beitragen sollte, Streitigkeiten zu beenden und das Zusammenleben als Integrationsklasse zu verbessern. Das macht die Zeit für mich umso wertvoller. Hätte ich damals schon gewusst, dass das Theaterprojekt einen mehr oder weniger therapeutischen Effekt haben sollte, hätte ich mich bestimmt nie so auf die Sache eingelassen, wie ich es getan habe.

Ich erinnere mich zwar an Momente, in denen ich überhaupt keine Lust hatte, nett zu meinen KlassenkameradInnen zu sein und am liebsten nach Hause gegangen wäre, doch im Großen und Ganzen habe ich das Theaterprojekt als sehr positiv und bereichernd in Erinnerung.

(...) ich denke auch, dass solche Projekte gut und wichtig sind.

Viele Grüße und einen schönen Sommer,
Miriam

 

Wir möchten uns herzlich im Namen der Schüler der 3b Klasse bei folgenden Sponsoren bedanken:

Beiträge der Eltern, Verwandten und Freunde der Klasse 3B
Land Tirol Abteilung Kultur und Abteilung Bildung
KulturKontaktAustria (bm:ukk)
Stadt Innsbruck
Firma MPreis
KIWIANIS Frauen
Profil Wohnbau
Wiener Städtische
Hypo Tirol
Raiffeisen Landesbank
Tyrolia Buchhandlung